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Pankow zur Orientierung

Historische Ansicht vom Amtsgericht Pankow in der Kissingenstraße 5/6.
Im Hintergrund ist das Pankower Gefängnis in der Borkumstraße 20/21 zu erkennen.

Beide Häuser wurden 1906 eröffnet.

Diese Karte vom 6.9.1936 mit einer Ansicht des Gefängnisses machte mich neugierig.
Pankow

Ansicht des Gebäudes Mitte der 30er Jahre
Pankow
Ansicht der Rückseite dieser Karte
mit einem offiziell geschwärzten Text

Pankow Diese Bezeichnung für das Haus und vor allem diese Schwärzung eines Schriftzuges konnte ich mir nicht erklären.
Deshalb forschte ich nach.

Und hier sind die Ergebnisse meiner Nachforschungen:

Zuerst ein paar historische Fakten zur SA, damit man das ( Über- ) Gedruckte auf der Ansichtskartenrückseite deuten kann:
1921 förmlich als "Turn- und Sportabteilung der NSDAP" gegründet, bekam diese Truppe von Hitler den Namen "Sturm-Abteilung" und diente hauptsächlich zur Terrorisierung der politischen Gegner. Eine Gliederungsform der SA waren die "Standarten". Die "Standarte 4" umfaße zuerst die Berliner Nordbezirke Wedding, Reinickendorf, Pankow und Prenzlauer Berg. Nach Erstarken der Nazis wurde in Pankow daraus die "Standarte 12". Die SA besetzte nun bestimmte Gebäude als "SA-Heime". Als sog. "Heim" dieser "SA-Standarte" wurde das Gefängnis in der Borkumstraße 1933 übernommen und als "Karl-Ernst-Haus" bezeichnet. Gleichzeitig füllten sich die Zellen mit politisch Andersdenkenden, die hier auch mißhandelt wurden.
Aber wer gab diesem Foltergefängnis seinen Namen ?

SA-Mann

SA-Führer
Karl Ernst
Die Antwort finden Sie hier:

Karl Ernst, Jahrgang 1904, war Führer der "SA-Gruppe Berlin-Brandenburg". Er beteiligte sich persönlich an den Mißhandlungen der Häftlinge. Auch soll er beim Legen des Brandes im Reichstagsgebäude am 27.02.1933 mitbeteiligt gewesen sein.
Beim sog. "Röhmputsch" am 30.06.1934 ließ Hitler nicht nur den damaligen Chef der SA, sondern auch andere SA-Führer erschießen, um seine alleinige Machtstellung zu festigen. Das war auch das Ende des "SA-Gruppenführers" Karl Ernst. Er war auf der Hochzeitsreise in Bremen verhaftet worden, wo er mit seiner Frau gerade an Bord eines Schiffes gehen wollte. Er wurde nach Berlin geflogen und am 30.06.1934 sofort von einem Kommando der "SS-Leibstandarte Adolf Hitler" in der ehemaligen Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde erschossen.

Danach wurde aus dem Pankower "Karl-Ernst-Haus" ein namenloses "SA-Heim".

Pankow

Der Name "Karl-Ernst-Haus" wurde auf den schon gedruckten Ansichtskarten einfach geschwärzt, um sie auch nach dem 30.06.1934 weiter verwenden zu können.

Und hier noch eine kuriose Geschichte um den SA-Führer Karl Ernst:

Der größte Arbeiter-Sportverein war Anfang der 30er Jahre "Fichte-Berlin". 1934 unterhielt die Führung der Arbeitersportler einen geheimen Treffpunkt und illegalen Druckort auf einem Segelboot am Müggelsee; und dieses Boot gehörte ausgerechnet dem SA-Führer Karl Ernst, dessen Bootsmann war nämlich Kommunist und schleuste seine Leute dort ein.


Quellen:
"Topographie des Terrors" von Reinhard Rürup, Berlin 1989
"Widerstand in Pankow und Reinickendorf" von Hans-Rainer Sandvoß, Berlin 1992
"Als die Faschisten an die Macht kamen" von Helga Gotschlich, Berlin 1982
"Die Katakombe-das Ende der Reichskanzlei" von Uwe Bahnsen u. James P. O‘Donnell, Augsburg 1997
"Der Wedding", herausgegeben von der Bezirksverwaltung zur 75 Jahrfeier der Eingliederung in Berlin, 1935
"Kleine Chronik von Pankow" von Hermann Klamfoth, Berlin 1937
"Pankow Chronik eines Berliner Stadtbezirkes" von Rudolf Dörrier, Berlin-Pankow 1971
Heimatsammlung Manns - Pankow



Pankow
Ansicht 2004


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